Angela Karnoll
May 21, 2023
Frankfurt: Künstlerin wandelt zwischen den Gattungen
Die Südkoreanerin Donghee Nam aus Frankfurt reißt mit ihrer interdisziplinären Arbeit scheinbare Grenzen in der Kunst nieder
Leise, meditative Töne erklingen aus Musikboxen. Kaputte Glasscheiben liegen auf einem Tisch, an anderer Stelle lehnt ein alter Koffer gegen die Wand. Im hinteren Bereich befindet sich ein braunes, mit Ornamenten verziertes Cembalo. Ein Erbstück, dessen Tasten nicht mehr sauber funktionieren.
Es ist nicht das einzige Instrument, das im Atelier von Donghee Nam ein neues Zuhause gefunden hat. Was für andere wertlos erscheint, sind für die Künstlerin Rohdiamanten. Sie liebt es, bei Haushaltsauflösungen nach verborgenen Schätzen zu suchen. Oder durch die Stadt zu schlendern und Objekte vor dem Sperrmüll zu bewahren. „Wenn die Chemie stimmt, nehme ich das Stück mit. Dann schaue ich, was ich tun kann, um es wieder zurück ins Leben zu bringen. Vielleicht auch mit einer ganz anderen Funktion, als es ursprünglich hatte.“
Im Studio der gebürtigen Südkoreanerin treffen bildende und musische Kunst aufeinander. 2001 kam Nam nach Deutschland, studierte in Hamburg und Köln Multimediale Komposition und mediale Künste. Hauptsächlich bewege sie sich experimentell zwischen den Künsten, sagt sie. Ihre Themen sind dabei das Da-Sein, das Alltagsleben und Nachhaltigkeit. Daher auch ihre Liebe zu ausrangierten Gegenständen.
„Ich habe noch viele beschädigte Objekte, die darauf warten, wieder ins Leben gebracht zu werden. So fühle ich mich auch häufig in meinem Leben: Wie jede Person habe ich Ecken und Kanten, aber wie kann ich trotzdem das Leben genießen? Demnach stelle ich im Privatleben und während meiner Arbeit ähnliche Fragen und entwickle daraus neue Ideen.“
Außerhalb ihres Ateliers widmet sich Nam einer weiteren Kunstform – der darstellenden Kunst. Ihr Fokus liegt auf Performances bei denen oft das Publikum einbezogen wird. Die Auswirkungen der Pandemie bekam sie hier besonders zu spüren. Vor allem Performances, die von zwischenmenschlicher Interaktion leben, mussten von heute auf morgen abgesagt werden. Trotz allem konnte Donghee Nam der Pandemie auch etwas Positives abgewinnen: „Als Künstlerin und Mutter habe ich mich schon vorher oft isoliert gefühlt. Plötzlich kannte jeder dieses Gefühl. Da kam mir die Idee zu einer neuen Performance, bei der wir unter den geltenden Verordnungen dennoch zusammenkommen konnten.“
So ist „Performance for Corona Blues“ entstanden. Ausgestattet mit leeren Koffern, lief Donghee Nam im Sommer 2021 mit einer kleinen Gruppe nonverbal eine halbe Stunde am Frankfurter Osthafen entlang. Alles regelkonform mit Masken und Abstand. Dabei sei es ihr um die Erforschung des Zusammenspiels von innerer Stille und äußeren Geräuschen gegangen, aber auch die Veränderung der Wahrnehmung, sobald die Gruppe stoppte, erklärt sie. Einige Wochen später lud Nam zu einer weiteren Corona-Performance im Hafenpark ein. Die Teilnehmer brachten ein Musikgerät und Kopfhörer mit und tanzten zu ihren Lieblingssongs - als Gruppe vereint, dennoch jede:r für sich.
Für die Zukunft hat Nam schon neue Ideen, zum Beispiel ein interdisziplinäres Mixed-Abled-Projekt: „Ich möchte Menschen mit und ohne Behinderung durch meine Performances den Zugang zu einem tollen Miteinander bieten. Außerdem möchte ich mehr in die Welt gehen und Menschen, die bisher wenig mit Kunst und Musik zu tun hatten, die Tür zu beidem öffnen.“